Morgens um sieben Uhr ist die Welt noch in Ordnung – zumindest für die meisten Menschen. Doch für Alexander Thielert, Schadeninspektor Sachschaden bei der Allianz Suisse, startet der Tag oft schon mit der Konfrontation mit dem Unglück anderer Menschen.
Der typische Arbeitsalltag eines Schadeninspektors beginnt mit der Überprüfung neu eingetroffener Schadenmeldungen. Diese können von kleinen Haushaltsschäden bis hin zu grossen kommerziellen Schäden reichen. Auf seinen Schreibtisch gelangen Berichte über Einbrüche, überflutete Keller bis hin zu Hochwasserschäden oder auch über völlig zerstörte Gebäude, wie zum Beispiel beim Erdrutsch in Schwanden (GL) im vergangenen Sommer 2023.
Als Schadeninspektor plant Alexander Besichtigungen, um Schäden vor Ort zu begutachten, Beweise zu sammeln und mit den betroffenen Versicherten zu sprechen. In einigen Fällen arbeitet er dafür auch mit externen Expertinnen und Experten zusammen, etwa aus der Handwerkbranche oder dem Ingenieurswesen, um alle Aspekte eines Schadens zu klären. Ein wichtiger Teil seiner Arbeit ist der Umgang mit den Kundinnen und Kunden, die einen Schaden erlitten haben. «Man braucht viel Fingerspitzengefühl und Empathie», erklärt Alexander. Er betont, wie wichtig Menschennähe, Fachwissen und Flexibilität in seinem Beruf sind. «Man muss gerne mit Menschen zusammenarbeiten und in der Lage sein, auch in schwierigen und tragischen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren.» Ein Beruf, der also nicht nur fachliches Können, sondern auch viel Menschlichkeit erfordert.
Der Mensch im Mittelpunkt
Nach einem schnellen Kaffee und einem Blick auf die neuesten E-Mails und Einträge im Schadenjournal packt Alexander seine Ausrüstung und fährt direkt los: Kamera, Laptop und seine Drohne dürfen dabei nicht fehlen.Bei der Ankunft am Schadenort trifft er auf Menschen, die nicht selten sichtlich mitgenommen sind. Alexander nimmt sich Zeit, hört zu, tröstet – dann beginnt er mit seiner Arbeit. Er macht Bilder, sei es per Drohne oder mit einer Kamera, schreibt Berichte und dokumentiert sämtliche Schäden sorgfältig. Er erklärt den weiteren Ablauf, spricht über die Deckung der abgeschlossenen Versicherung und organisiert dann die weiteren Schritte. Zurück im Auto, telefoniert Alexander mit den Sachverständigen, um weitere Termine für genauere Begutachtungen zu vereinbaren.
Grundsätzlich gilt: Jeder Fall ist anders, jeder Fall ist dringend. Die Gespräche mit den versicherten Personen sind oft anspruchsvoll, vielfach auch emotional. Aber wie Alexander klarstellt: «Es ist essenziell, geduldig und empathisch zu bleiben, auch wenn ich nicht alle Wünsche erfüllen kann», erklärt er. «Ich muss verständlich erklären können, was die Versicherung übernimmt und was nicht.» Bei der Arbeit als Schadeninspektor steht nicht der Schaden, sondern der Mensch im Mittelpunkt. «Es geht darum, verstehen zu können, dass sich Menschen aufgrund von Schäden in schwierigen Lebenssituation befinden.»
Technik als Unterstützung
Mit der fortschreitenden Digitalisierung nutzen Schadeninspektoren zunehmend technologische Hilfsmittel wie Drohnen zur Schadeninspektion oder Software zur Schadenbewertung. So muss Alexander zusätzlich über ausgeprägte analytische Fähigkeiten verfügen, um komplexe Situationen zu bewerten und Entscheidungen häufig auf der Basis von unvollständigen Informationen zu treffen. Die moderne Technologie erleichtert ihm die Arbeit dabei erheblich. Als ausgebildeter Drohnenpilot nutzt er seine eigene, kalibrierte Drohne zur Dokumentation schwer zugänglicher Schäden. Eine spezielle Software hilft bei der Kalkulation der Schadenhöhe. «Die Technik gibt uns die Möglichkeit, schneller und präziser zu arbeiten und auch unzugängliche Gebiete abzubilden», erklärt Alexander, während er auf seinem Laptop die Daten des Tages eingibt. Die ständige Weiterbildung im Bereich neuer Technologien sowie rechtlicher und vertraglicher Neuerungen ist daher unerlässlich, um effizient und korrekt arbeiten zu können. Insgesamt ist die Arbeit eines Schadeninspektors vielschichtig und erfordert ein breites Spektrum an Fähigkeiten und Kenntnissen.
Feierabend – ein relativer Begriff
Gegen 18 Uhr kehrt Alexander in der Regel in sein Büro, also sein Zuhause, zurück. Der Wohn- und Arbeitsort befindet sich idealerweise im Einsatzgebiet eines Schadeninspektors. Das ist nicht zuletzt auch darum sinnvoll, weil die Inspektorinnen und Inspektoren die ihnen zugeteilten Regionen in der Regel kennen und den regionalen Gegebenheiten so Rechnung tragen können. «Meist sind wir Schadeninspektoren auf uns allein gestellt», so Alexander, «aber der Teamspirit bei uns ist enorm. Wir halten zusammen und unterstützen uns gegenseitig.» So können auch ausserordentliche Arbeitsbelastungen, insbesondere bei Unwettern, aufgefangen werden. Auch wenn der Job als Schadeninspektor herausfordernd und menschlich belastend sein kann – oft nimmt er die Arbeit mit nach Hause, besonders nach grossen Schadenereignissen wie dem Erdrutsch in Schwanden im Kanton Glarus –, so sieht Alexander vor allem die positiven Seiten: «Ich kann den Menschen helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Das gibt meiner Arbeit einen tieferen Sinn. Und Versicherungszahlungen nach Katastrophen helfen Einzelpersonen, Unternehmen und teilweise ganzen Gemeinden, sich schneller zu erholen und somit zur sozialen und wirtschaftlichen Stabilität beizutragen.» Seine Aussage passt auch zu einem bekannten Sprichwort aus dem Rheintal, wo Alexander mit seiner Familie zu Hause ist. «Chancen sind wie der Rhein: Wenn sie kommen, muss man sie ergreifen, sonst fliessen sie davon.» Nach unserem Gespräch ist klar, dass Alexander Thielert dem Sprichwort mit seiner Arbeit und seiner Einstellung jeden Tag aufs Neue gerecht wird: Er brennt dafür, täglich Menschen zu helfen und aus einem Schadenfall etwas Gutes entstehen zu lassen.