Ein typischer Tag beginnt bei Hampi am Aussägeplatz im Erdgeschoss seiner Werkstatt. Das Radio läuft, überall liegen die von Hand angezeichneten Messing- oder Silberstücke zur Bearbeitung mit einer kleinen Handsäge bereit. Ein bis zwei Stunden pro Tag kann Hampi so verbringen. «Andere machen Yoga, ich säge aus.», erklärt er. Jeden Tag ist er in seiner Werkstatt, ausser wenn das Wetter ihn in den Alpstein zieht.
Persönliche Handschrift für individuelle Geschichten
Auf das Aussägen folgt das «Ziselieren». Es bildet den zentralen Arbeitsschritt eines Sennensattlers und jenes Element, an dem seine Handschrift am besten sichtbar wird. «Das Ziselieren, das Herstellen der Beschläge, ist wie eine Handschrift. Das ist, wie wenn du zehn Schülern ein Diktat gibst: Überall steht der gleiche Text, aber du hast ein anderes Bild.»
Wertigkeit für die Ewigkeit
Besonders die jüngere Generation schätzt das Hochwertige – und lässt sich einen Original-Fässler aus Silber gerne mal über 1000 Franken kosten. Die Gürtel sind beständig und begleiten ihre Träger oft ein Leben lang, manchmal auch deren Nachkommen. Zeigt die Zeit doch irgendwann ihre Zeichen, kann Hampi die Motive auf einen neuen handgefertigten Gurt aufbringen. Oder es wird auch mal eine Initiale ausgetauscht, etwa nach einem Partnerwechsel.
Zwei Hände und unzählige Werkzeuge
Dass dieser Beruf nur mit der Bereitschaft zu dreckigen Händen, guter Feinmotorik und viel Feingefühl gelingen kann, ist für Hampi klar. Obschon er in einer Familie von Sennensattlern aufgewachsen ist, hat er sich das meiste selbst beigebracht. Von einer eher massentauglichen, maschinellen Produktionsweise während seiner Zeit als Dekorationsgestalter bei Globus zur reinen Handarbeit und der endgültigen Übernahme des Betriebs haben sich Hampis Stil und vor allem Anspruch verändert. Die allermeisten Werkzeuge, die täglich durch seine Hände gehen, sind die seiner Vorfahren. Viele Stücke sind bis zu 60 Jahre alt, keiner ausser ihm darf diese berühren. Manches fertigt er sich auch selber an.
Nur in seltenen Fällen holt sich Hampi Fässler Unterstützung bei einzelnen Arbeitsschritten. Die Werkstatt ist dann auch voll und ganz sein persönliches Refugium. Fast museal mutet die zweistöckige Werkstatt im historischen Appenzellerhaus an. Zwischen reich bemalten Bauernschränken, ausgestopften Tieren, alten Fotografien seiner Ahnen, Gemälden und weiteren antiken Sammlerstücken könnten die kleinen Arbeitsplätze zum Sägen, Schneiden, Nähen und Ziselieren beinahe übersehen werden.
Ein Erbe mit Zukunft?
Das Wertvollste in seiner reichen Sammlung sind jedoch Familienerbstücke: ein Schellenriemen von Anfang des 19. Jahrhunderts, ein Hundehalsband des Grossvaters von 1880 und ein Hosenträger aus der Hand seines Vaters – dieser ist von besonderer emotionaler Bedeutung, da seine Eltern jung bei einem Zugunglück verstarben. Einiges hat Hampi von ihren Besitzern zurückgekauft. Es gibt einen Markt für solch seltene Stücke: Ein Schellenspiel aus der Hand seines Grossvaters, bestehend aus drei Schellenriemen und Schellen, wurde bei einer Auktion für einen fünfstelligen Betrag versteigert.
Aber nicht nur unter Insidern und Sammlern ist die Handwerkskunst beliebt. Als wir Hampi treffen, ist er gerade dabei, einen Gurt für Kylie Minogue zu ziselieren. Ein Geschenk ihres Weinvertriebs zum Geburtstag. Die Appenzeller Kunst ist an so manchem Promi zu bewundern, ob aus der Hand von Hampi Fässler oder von einem der wenigen anderen traditionellen Handwerkskünstler. Ob eine seiner zwei Töchter den Betrieb irgendwann weiterführen kann, ist noch unklar. Das Handwerk, das Haus, die Familie, das ist eine Einheit seit Jahrzehnten. Hampi hat aber noch lange nicht vor, aufzuhören. «Mein Ziel ist es, dass ich hier irgendwann in der Horizontalen rausgehe.» Und dann gibt es vielleicht irgendwann eine Stiftung und ein kleines Museum. Initiiert von einer seiner zwei Töchtern einer Kuratorin in Winterthur.